General Paul Tibbets. Paul Tibbets kommandierte die 509. Composite Group der Air Force, zu
deren Aufgaben der Abwurf der ersten amerikanischen Atombomben gehörte.
Tibbets selbst steuerte die Enola Gay, den B-29 Bomber, der den Angriff
auf Hiroshima flog.
General Paul Tibbets - Ich wurde im September 1944 davon in Kenntnis gesetzt, dass die Vereinigten Staaten die Atombombe entwickelten. Meine Aufgabe war es, eine Air-ForceEinheit aufzustellen und für den Abwurf der neuen Waffe auszubilden. Nur wenige wussten, dass es in der Direktive auch hiess, wir sollten für gleichzeitige Abwürfe in Europa und Japan vorbereitet sein. Das war damals mit der Formulierung »split operation« gemeint. Der Plan sah vor, Atombomben genau zur gleichen Zeit gegen Deutschland und Japan einzusetzen? Das ist richtig. Obwohl es nur zwei Bomben gab? Zu dem Zeitpunkt, von dem wir sprechen, hatten wir noch gar keine. Die Produktion fing gerade erst an. Wieviele Waffen zur Verfügung stehen würden, darauf hatte ich keinen Einfluss. Mein Job war es, eine Einheit aufzustellen und auszubilden. Ich hatte auch mit den Wissenschaftlern in Los Alamos zu tun, um herauszufinden: Was haben wir? Wie sieht es aus? Wo soll es hin? Was machen wir damit? Ich habe zehneinhalb Monate mit diesen Leuten zusammengearbeitet, um die Waffe in eine Form zu kriegen, in der sie mit berechenbarer Treffgenauigkeit aus einem in neuntausend Meter Höhe fliegenden Bomber abgeworfen werden konnte. Ist das gemeint mit der Redewendung »die Bombe mit dem Flugzeug verheiraten«? Ja, so nannten wir es. Was genau war dazu alles nötig? Zunächst mal musste die Bombe eine aerodynamische
Form haben und die richtigen Abmessungen, damit sie in unseren Bombenschacht
passte Ausserdem mussten wir batteriebetriebene Heizgeräte rings um
die Bombe haben, damit der Zündmechanismus nicht einfror. Das nächste
Problem war - Mussten Sie als Pilot des Flugzeugs, das diese Bombe abwerfen sollte, irgendwelche aussergewöhnlichen Dinge lernen? Wir waren es damals nicht gewöhnt, mit unseren Bombern in einer Höhe von neuntausend Metern zu fliegen. Für den Bombenabwurf brachte das ein neues Problem mit sich, wegen der Höhenwinde oder »ballistischen Winde«, wie man sie nennt. Wir wussten auch, das wir bei so einer Waffe, nachdem wir sie ausgeklinkt hatten, nicht einfach weiterfliegen konnten, wie wir es damals in Europa und über dem Pazifik taten. Über die Explosion dieser Bombe konnte man unmöglich drüberfliegen und überleben. Es stellte sich also die Frage: Wie kommt man davon weg, nachdem man sie abgeworfen hat? Die einzige Lösung ist, man muss kehrtmachen - und das ist fliegerisch ein weiteres Problem in einer solchen Höhe. Man hatte nur fünfzig Sekunden, um die Kehre auszuführen, denn solange brauchte die Bombe für ihren freien Fall bis zur Explosion, und mit der Explosion würde dann die Druckwelle und alles weitere kommen. Und diese Kehre in fünfzig Sekunden zufliegen, das war das Aussergewöhnlichste? Absolut. Alles andere war nur Fliegen, Navigieren und Bombenabwurf. Das Flugzeug hiess Enola Gay, und es ist allgemein bekannt, dass das der Name Ihrer Mutter war. Zu welchem Zeitpunkt haben Sie das Flugzeug nach Ihrer Mutter benannt? Ich habe den Namen aufmalen lassen am Nachmittag vor unserem Start, der am folgenden Morgen um 2 Uhr erfolgte. Haben Sie vorher mit Ihrer Mutter darüber gesprochen? Nein, nein. Ich konnte ihr selbstverständlich nichts davon sagen, und ich fand es eigentlich auch gar nicht notwendig. Wie empfand sie es, dass sie als Folge Ihrer Entscheidung gewissermassen in die Geschichte einging? Nun, als ich dann wieder nach Hause konnte, sagte
mir mein Vater - er nannte sie immer »das alte Mädchen« - er sagte: Wir hatten im September 1944 mit der Ausbildung begonnen. Bis 1. April 1945 hatte ich eine Einheit beisammen, die hart gedrillt worden war und einen guten Ausbildungsstand hatte. Ich betrachtete die Situation wie ein Football-Trainer, der weiss, dass zuviel Training unter Umständen mehr Probleme schafft, als man sich vorstellen kann. Die Frage war also jetzt: Wie zuverlässig war die Bombe? Ich wandte mich an Dr. Oppenheimer und sagte: Ich hatte die Befürchtung, dass wir nie da rüber kämen und die Bombe ihrem eigentlichen Zweck zuführen könnten, nämlich den Krieg zu beenden. Nun war es damals so, dass eine für den Einsatz in Übersee ausgebildete Einheit inspiziert werden musste. Das machte entweder die Air-Force-Führung oder eine übergeordnete Befehlsstelle. Aber die höhere Kommando-Ebene wusste in diesem Fall gar nicht, was wir taten, und mir war gesagt worden, dass wir es völlig selbständig durchzuführen hatten. Sie gaben mir ein Codewort, an das ich mich heute nicht mehr erinnere, und das sollte ich nach Washington durchgehen, wenn ich soweit war. Ich habe das Codewort völlig selbständig und nach eigenem Ermessen nach Washington durchgegeben, weil ich die Einheit da rüber auf den pazifischen Kriegsschauplatz bringen wollte. Man hört so viel von dem Training der Crew für Hiroshima. Was ist mit der Crew für Nagasaki? Ich hatte vierzehn Flugzeugbesatzungen. Und ich machte mit jeder dieselbe Ausbildung. Es war alles eine Einheit, und ich war Kommandeur dieser Einheit. Es nannte sich die 509th Composite Group. Zu welchem Zeitpunkt wurde klar, dass Sie zwei Bomben hatten, und nicht eine oder drei? Nun, ich will es mal so sagen: Es gab drei
Bomben, die einsatzbereit waren. Eine auf der Insel, eine unterwegs
zur Insel und eine in Wendover. Jedenfalls, drei gab es, und sie waren einsatzbereit. Ich dachte immer, es wären nur zwei gewesen ... Es waren drei. Und als Japan nach der Bombe auf Nagasaki nicht kapitulierte, funkte
ich ein Codewort nach Wendover, Utah, und denen ihre Bombe wurde in
ein Flugzeug geladen, das in Richtung Pazifik startete, aber es konnte
auf dem Stützpunkt Moffat Field schon wieder landen, Zu welchem Typ gehörte die dritte Bombe? Es war derselbe Typ wie die Nagasaki-Bombe. Können Sie schildern, was geschah, als Sie die Hiroshima-Bombe abwarfen? Also beim Anflug auf das Ziel war ich eigentlich
ganz mit dem Navigieren beschäftigt und mit der stabilen Lage des Flugzeugs,
damit wir eine sogenannte »Bombardier-Plattform« bekamen. Ich wollte,
dass es absolut ruhig und waagerecht liegt. Als erstes - wenn der Bombenschütze sagt: Als nächstes, wenn wir sehr nahe heran sind, sagt
der Bombenschütze: Ich selbst schaute den beiden die ganze Zeit über die Schulter, und da ich mir die Stadt anhand von Luftaufnahmen eingeprägt hatte, konnte ich ihnen nur zustimmen, denn wir hatten absolut freie Sicht, und es war so klar wie auf einem Foto. Beim Endanflug mussten nun noch einige letzte Dinge
geschehen. Wir mussten für die beiden B-29, die uns begleiteten, einen
Ton aussenden, damit sie wussten, dass bis zum Ausklinken der Bombe
nur noch eine Minute vergehen würde. Was für Instrumente warfen sie ab? Das waren Geräte, die die Explosion aufzeichnen sollten. Sie waren mit batteriebetriebenen Funkgeräten gekoppelt, und damit wurden die Informationen an die Empfangsgeräte im Flugzeug gesendet. Wurde die Bombe an einem Fallschirm abge worfen, oder fiel sie einfach herunter? Sie fiel. Die Aufzeichnungsgeräte hingen an Fallschirmen. Wie war es, als die Bombe explodierte? Was haben Sie da erlebt?
Tja, so seltsam es klingen mag - gar nichts. Na schön, das ist etwas, was man sonst normalerweise
nicht sieht. Und das nächste, was ich jedem erzählte, ist, dass ich
es zu schmecken bekam. Etwa zu diesem Zeitpunkt, als ich das spürte, sass hinten mein Heckschütze und hielt Ausschau nach der Druckwelle. Er trug eine Schweisserbrille, damit er von dem Lichtblitz nicht geblendet wurde. Und er sagte: »Da kommt sie.« Er konnte sie hochkommen sehen, wie eine Fata Morgana
in der Wüste. Wunderschöne, sich kreisförmig ausbreitende Wellen, die
bis herauf zum Flugzeug kamen. Und haben Sie auch die Explosionswolke gesehen? Als die Bombe explodierte, lag ich noch in der Kurve,
und ich steuerte das Flugzeug so, dass wir wieder zurückkamen, denn
wir hatten Fotoapparate dabei, und unsere Anweisung lautete, so viele
Aufnahmen wie möglich zu machen. Jeder nahm also seinen Fotoapparat
und fing an zu knipsen. Die Wolke rollte, wallte und kochte, und es war offensichtlich, dass eine unerhörte Menge Energie in dieser Wolke enthalten war. Welche Farbe hatte sie? Nun ja, ein schmutziges Grau. Besser kann ich es
Ihnen nicht beschreiben. Und sie hatte nicht die klassische Pilzform.
Sie war irgendwie langgezogen. Haben Sie mal einen Fallschirm gesehen,
der sich nicht öffnete - einen »Straggler«, wie wir es nennen? Und zu welchem Zeitpunkt haben Sie begonnen, diese
Mission aus der Sicht der Menschen unten auf der Erde zu sehen? Haben
Sie je empfunden, dass das Ausmass an Leiden alles überstieg was Menschen
je zuvor in einem Krieg zugestossen war? Ja, ich denke, damit kommen Sie meiner Auffassung
im wesentlichen schon nahe. Wir hatten einen berühmten alten Südstaaten-General,
der sagte: Und dem kann ich nur zustimmen. Es ist so. Als ich Bomben in Europa abwarf, Flugzeugbomben,
gegen die Deutschen undsoweiter, Und auf Grund dessen, muss ich sagen, habe ich mich
nie damit aufgehalten. Sicher, ich wusste, dass es schreckliche Verluste
an Menschenleben gegeben hatte. Ich wusste, dass da allerhand Zerstörung
stattfand. Aber noch einmal - Sie sagen, das Spiel habe geheissen: Das Ziel vernichten. Was war das Ziel in Hiroshima? Die Stadt war das Ziel. Fertig, aus. Und wie zielgenau war der Abwurf? Ich würde sagen, wir lagen ziemlich genau im Ziel. Die Abweichung vom Zielpunkt betrug weniger als 180 Meter. Lassen Sie mich abschliessend fragen, Mr. Tibbets: Was ist für Sie aus heutiger Sicht die Lektion oder das Vermächtnis von Hiroshima? Die Waffen, die wir heute haben, lassen die von damals wie kleine Knallfrösche aussehen. Es ist richtig, dass wir einige Waffen haben, über die wir uns ernste Gedanken machen müssen. Und ich bin auf keinen Fall für einen Krieg. Ich würde gerne glauben, dass Atomwaffen nie mehr
eingesetzt werden, aber so naiv bin ich nicht. Ich denke, wir werden
sie einsetzen, einfach weil wir sie haben.
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