Die Raketenleutnants Lamb und Goetz in einem Minuteman II Silo.    
Ellsworth Air Force Base, Rapid City, South Dakota, 21. November 1984.

In einer Kapsel, 18 Meter unter der Erde, verrichten diese Angehörigen des Strategic Air Command ihren Dienst. Jeder ist mit einer Pistole bewaffnet. Die Dienstzeit für Raketen-Bedienungspersonal beträgt vier Jahre. In dieser Zeit müssen die »Silo Operators« 12 bis 16 Wochen im Jahr jeweils zwei 24-Stunden-Schichten pro Woche Dienst tun.

    Am 21. November 1984 lautete der Aktivierungscode für einen simulierten Raketenstart:

    »Lima. Alpha. Uniform. November. Charlie. Hotel. Echo. November. Alpha. Bravo. Lima. Echo. Papa. Lima. Charlie. Alpha. Zero. One. Acknowledge (>Bestätigung<). Out (>Kommen<).«

Lt. Goetz sagt über den Vorgang bis zum Abschuss einer Gruppe von Raketen:
    »Es müssen zwei unabhängige Startbefehle erfolgen. Einer wird von zwei Männern aus dieser Kapsel hier durchgegeben, und ein weiteres Kontrollzentrum tut dasselbe. Wir müssen also eine ganze Reihe von Sicherheitsbedingungen erfüllen, ehe wir die Raketen starten können.«

 

   Die Minuteman II ist eine dreistufige Feststoffrakete. Sie gehört zu den interkontinentalen ballistischen Raketen (ICBM) und befördert einen W56-Sprengkopf mit einer Stärke von 1,6 Megatonnen über eine Entfernung von 11 200 Kilometern, wobei sie eine Geschwindigkeit von 24 000 km/h erreicht.
    Die Minuteman II, 1965 erstmals in Dienst gestellt, ist das Arbeitspferd der landgestützten atomaren Verteidigung der USA. Es gibt drei Minuteman II Strategic Missile Wings zu je 1500 Raketen.
    Die Standorte sind: Malmstrom Air Force Base in Montana, Ellsworth Air Force Base in South Dakota und Whiteman Air Force Base in Missouri.

Voraussetzung für einen Einsatz als Missile Silo Operator ist ein rigoroser viermonatiger Lehrgang bei der 4315th Combat Crew Training Squadron auf dem Luftwaffenstützpunkt Vandenberg. Das Motto der Training Squadron lautet:
   »Wir bilden qualifiziertes Raketenpersonal aus, und Raketen sind unser Thema Nummer eins.«


Diese einzigartige Schule bildet jährlich 450 Silo Operators aus. Seit l963 haben hier insgesamt l8 000 Anwärter den Lehrgang absolviert. Zu Beginn des Lehrgangs muss jeder Teilnehmer eine Verpflichtungserklärung unterschreiben (>Missile Combat Crew Member Personal Commitment Form<), die folgenden Wortlaut hat:

   »Ich bin mir voll bewusst, dass ich als Missile Combat Crew Member zum Dienst mit nuklearen Waffen und Waffensystemen eingeteilt werde. Mir ist bekannt, dass ich in dieser Eigen-schaft eine hervorgehobene Vertrauensstellung einnehmen werde, die jederzeit meine einwandfreie Zuverlässigkeit erfordert. Ich bin ferner vertraut mit Geist und Wortlaut des Personnel Reliability Program AFR 35-99, und die Erfüllung dieser Vorschriften ist Voraussetzung für die Ausübung meines Dienstes im nuklearen Bereich.

   Mir ist bekannt, dass Verstösse gegen diese Vorschriften, insbesondere Handlungen oder Äusserungen, die meine Zuverlässigkeit bzw. Fähigkeit zur Wahrungmung meiner dienstlichen Pflichten zweifelhaft erscheinen lassen, meine Entfernung aus diesem Dienstbereich zur Folge haben werden. Mir ist bekannt, dass die Umstände oder Ereignisse, die einen Verstoss gegen das Personnel Reliability Program der Air Force begründen, zu Strafen, disziplinarischen Massnahmen und/oder Ausschluss aus der Air Force führen können.«

Nach erfolgreichem Abschluss des Lehrgangs ist folgende Erklärung zu unterschreiben:

   »Ich bin vertraut mit den Pflichten eines Missile Combat Crew Member sowie den Tätigkeiten, die sich daraus ergeben können. Ich versichere, dass ich keinerlei Bedenken habe hinsichtlich meiner Fähigkeit und inneren Überzeugung in einer solchen Eigenschaft meinen Dienst zu versehen.<<



Startsimulation mit den Leutnants Lamb und Goetz -
Ellsworth Air Force Base, Rapid City, South Dakota, 21. November 1984

   Goetz: Ich möchte Ihnen jetzt einen taktischen Raketenstart zeigen und lhnen eine Vorstellung geben von dem, was sich abspielt, wenn wir die Anweisung bekommen, und was wir dann tun. Um eine Rakete startfertig zu machen, sind drei Dinge nötig. Erst mal müssen wir die Rakete einstellen (enable), und das bedeutet, wir müssen Zeiten in die Rakete eingeben.

   Zum Beispiel: Wir starten um 15.05 Uhr?

   Goetz: Naja, es wären Minuten bis zur Schlüsseldrehung - eine Minute oder zwei Minuten bis zu dem Zeitpunkt, wo sie starten soll. Im Normalfall ist da jeden Tag ein besonderer Code drin, und zwar nicht mit einer Zeit, sondern mit einer Dauereinstellung auf Aus. Und da kann die Rakete selbst mit Schlüsseldrehung nicht gestartet werden.

   Weil sie auf Aus steht?

   Goetz: Sie ist auf Aus gestellt. Wir müssen also erst eine bestätigte Zeit eingeben Wir müssen die Rakete mit einem Code für den Start einstellen, und damit sie startet, müssten wir dann noch die Schlüssel drehen.

   Wenn Sie die Schlüssel drehen, und sie ist sagen wir mal auf dreiundzwanzig Stunden eingestellt, könnten Sie dann den Start noch rückgängig machen, obwohl die Schlüsseldrehung schon erfolgt ist?

   Goetz: Dafür sind Vorkehrungen getroffen, aber von hier unten aus könnten wir es nicht machen.

   Der Befehl zum Abbruch müsste also von anderswoher kommen?

   Goetz: Ja, genau. Aber im allgemeinen sind es keine dreiundzwanzig Stunden. Im allgemeinen ist es etwas weniger. Aber ich möchte ganz kurz auch noch von was anderem reden, und zwar von den Startbefehlen, wie wir es nennen. Für den Start einer Rakete sind zwei Startbefehle nötig. Einer wird von zwei Männern aus dieser Kapsel hier durchgegeben, und ein weiteres Kontrollzentrum tut dasselbe.
    Wir müssen also eine ganze Reihe von Sicherheitsbedingungen erfüllen, ehe wir die Raketen starten können. Wie wärs, wenn wir Ihnen das mal demonstrieren? Als erstes würden wir - Fragen können Sie dann anschliessend noch stellen - wir würden die Anweisung über unser primäres Alarmsystem bekommen . . .
    (Alarmzeichen ertönt)

   Lamb: Lima, Alpha, Uniform, November, Charlie, Hotel, Echo, November, Alpha, Bravo, Lima, Echo, Papa, Lima, Charlie, Alpha, Zero, One. Acknowledge. Out.

   Goetz: Okay, ich habe eine gültige Ausführungsanweisung. Ich gehe jetzt die technische Checkliste für den Start durch. Okay, ich bin auf Seite 3-47.
   Erster Schritt: Startschlüssel einführen...

(Jeder Operator steckt einen Schlüssel in das Kombinationsschloss, an einem Kasten, in dem sich ein weiterer Schlüssel befindet - derjenige, der für den Start der Rakete benötigt wird.
Der Schlüssel von Lt. Lamb passte nicht.)

   Lamb: Haben sie die Kombination geändert?

   Goetz: Ich weiss von nichts. Wir mussten uns dieses Vorhängeschloss ausleihen...
Normalerweise hätte er sein eigenes. Er hätte eine Kombination, die nur er kennt, und ich kenne nur meine. In diesem Fall mussten wir uns eins ausleihen, und anscheinend haben sie die Kombination geändert.

   Also werden wir jetzt das mit den Schlüsseln eben simulieren. Wir würden zu diesem Zeitpunkt aufschliessen und die Schlüssel herausnehmen. Er würde seinen Schlüssel dort hinlegen. Ich würde vortreten und meinen Schlüssel hier hinlegen, und dann ginge es weiter.
    Zweiter Schritt: Funktionswahlschalter auf Aus.

   Lamb: Okay, Funktion aus.

   Goetz: T. E. P.

   Lamb:: C. P.

   Goetz: P. L. C. A. Start-Option Null Eins.

   Lamb: Okay, Null Eins . . .

   Goetz: Gleichstromschalter betätigen...

   Lamb: Kommt hoch. Okay, steht. Goetz: Fünf bis zehn. Alpha entfällt.
    Elfter Schritt: Programmwahlschalter auf Enable. Wir gehen auf Enable.

   Lamb: In Ordnung.

   Goetz: Zwölf, Flugwahlschalter auf All. Ich gehe auf All. Startwahlschalter auf All. All. Aktivierungs-Code eingeben. lch lese ihn vor.

   Lamb: Okay.

   Goetz:: Echo.

   Lamb: Echo.

   Goetz:: November.

   Lamb: November.

   Goetz: Alpha.

   Lamb: Alpha.

   Goetz: Bravo.

   Lamb: Bravo.

   Goetz: Lima.

   Lamb: Lima.

   Goetz: Echo.
   (Lauter Summton)

   Lamb: Echo . . . Echo, November, Alpha, Bravo, Lima, Echo.

   Goetz: Okay . . . Code eingegeben. Enable. Schalter auf Enable.

   Lamb: Eine Stufe runter.

   Goetz: Licht an. Licht aus. Wir haben unsere Enables, unsere P. L. C. M. Fünfzehnter Schritt - Hotel. Programmwahlschalter auf Aus.
(Klingelzeichen)

   Lamb: Richtig.

   Goetz: Und sechzehnter Schritt, Schlüsseldrehung bei Commit Time. Wir drehen die Schlüssel in zwanzig Sekunden.

   Lamb: Okay.

   Goetz: Und auf mein Zeichen. Wir haben jetzt die gültigen Enable-Codes, und die Anzeigen für alle Raketen leuchten auf und zeigen uns an, dass sie eingestellt sind.
    Okay, Schlüsseldrehung auf mein Kommando. Drei, zwei, eins, jetzt.
   (Klingelzeichen)
Lichter an.
   (Klingelzeichen)
Lichter aus.
Loslassen. Wir lassen die Schlüssel los und warten auf den Status.
    Bei einer Schlüsseldrehung, so wie eben, bekommen wir die Anzeige für »Start angeordnet«.
    Bei der zweiten Schlüsseldrehung kommt die Anzeige für »Start läuft«
    (Dreht den Schlüssel ein zweites Mal.)

   Das ist alles? Das ist der Start?

   Goetz: Das ist alles. Das ist der Start. Die Anzeige für »Missile Away« bekommen wir über einen heissen Draht von der Rakete selbst, und das würde uns dann sagen, dass eine Rakete tatsächlich abgehoben hat.

    Und das wärs dann. Was machen Sie dann?

   Goetz: Okay. Als nächstes würden wir . . .
okay, unsere Checkliste - im wesentlichen würden wir nachsehen, ob wir Unterstützung von jemand brauchen.

   Sagen wir mal, wir brauchen Unterstützung von einem Flugzeug - ähm - wir würden einen Startbericht erstellen und ihn, ähm, auf dem vorgeschriebenen Weg . . .
wir würden der Kommandostelle mitteilen, welche Raketen gestartet sind, welche nicht gestartet sind, und so.

    Und was würden Sie dann tun?

   Goetz: Tja, ähm - dann haben wir wieder andere äh Prozeduren durchzuführen. Zum Beispiel, mal angenommen, das wäre unsere erste Anweisung gewesen, dann müssten wir, naja, uns wappnen, mehr oder weniger.

   Wir würden uns anschnallen und die Arme hochlegen, und im wesentlichen würden wir die Anzeigen der Raketen beobachten, die noch am Boden sind, und wir würden auf weitere Anweisungen reagieren. Wir würden im Alarmzustand bleiben, bis, ähm, naja, bis man uns sagt, dass wir's nicht mehr sollen. Wir bleiben die ganze Zeit im Alarmzustand.

   Und für wie lange haben Sie hier unten Luft und Verpflegung?

   Goetz: Oh, wir haben, naja, wir haben eigentlich keine Verpflegung in einem normalen Startkontrollzentrum.

   Okay. Obwohl Sie hier durch Beton geschützt sind, ist also nicht wirklich vorgesehen, dass Sie hier unten überleben.

   Goetz: Naja . . . wir könnten . . .
Es ist wirklich schwer zu sagen. Wir bringen uns selber was zu essen mit, aber eingelagert ist hier nichts.
Es ist also wirklich schwer zu sagen, wie lange wir es aushalten könnten.
Aber hoffentlich so lange, bis die nukleare Aktivität oben beendet ist und wir wieder rauskönnen.

   Gibt es etwas, das Sie noch mal durchgehen möchten?

   Ich glaube , das wäre alles.
Schade, dass es mit dem Schlüssel nicht geklappt hat.

 

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