Admiral Hyman Rickover.    
New York City, 9. Mai 1982.


Hyman Rickover hat von allen Angehörigen der amerikanischen Kriegsmarine die bisher längste Dienstzeit absolviert. Er ist der Erfinder des Atom-Unterseeboots und gilt als »Vater der nuklearen Navy«. Sein U-Boot-Reaktor bewährte sich so gut, dass aus ihm die Antriebsreaktoren amerikanischer Handelsschiffe entwickelt wurden.

    »Jedesmal, wenn man Strahlung produziert, setzt man etwas frei, das eine bestimmte Halbwertzeit hat. In manchen Fällen können es Milliarden Jahre sein. Ich finde, die Menschheit ist im Begriff, sich selbst zu vernichten, deshalb müssen wir diese schreckliche Kraft unbedingt unter Kontrolle bringen und versuchen, ohne sie auszukommen.«

 

Admiral Hyman Rickover,
(1900-1986), United States Navy, Leiter des Naval Nuclear Propulsion Program

Hyman Rickover war zuständig für Entwicklung und Bau der ersten atomaren Antriebsreaktoren,für Unterseeboote sowie für die Entwicklung der USS Nautilus, des ersten atomgetriebenen Unterseeboots der Welt (1955). Schon 1950 regte er den Bau von atomgetriebenen Flugzeugträgern an. Er war ebenfalls zuständig für den Bau des ersten grossen zivilen Atomreaktors in Shippingport, Pennsylvania (1957), einer vergrösserten Version des Druckwasserreaktors der Nautilus. Dies schuf von Anfang an eine starke Verbindung zwischen den Reaktorprogrammen der Marine und dem zivilen Programm »Atome für den Frieden«.

   Auszüge aus einem Hearing des Joint Economic Committee des amerikanischen Kongresses über Verteidigungsausgaben, Washington, D. C., 28. Januar 1982:

   Senator William Proxmire: Admiral, ein umstrittenes Thema in diesem Land ist heute die Höhe unserer Verteidigungsausgaben. Was meinen Sie . . .
geben wir für unsere Verteidigung mehr aus, als nötig wäre? Ist es möglich, solche Summen sinnvoll auszugeben, oder wird hier überstürzt gehandelt?

   Rickover: Ich denke, wir geben zu viel aus. Ich finde, wir sollten bei den Ausgaben selektiver vorgehen . . .

   Um gleich vor meiner Haustür anzufangen - schauen Sie sich nur einmal die Zahl der Atom-Unterseeboote an. Ich sehe keinen Grund, warum wir genauso viele haben müssen wie die Russen. Irgendwann ist ein Punkt erreicht, wo es genügt. Was für einen Unterschied macht es, ob wir hundert Atom-Unterseeboote haben oder zweihundert? Ich wüsste nicht, was das für einen Unterscheid machen soll. Mit dem, was wir haben, kann man alles, was die Ozeane befährt, mehrmals versenken. Und die anderen können es auch . . .

   Ich meine, wir überrüsten uns ganz generell, denn wir haben die Situation, dass die Zerstörungskraft der Waffen immer grösser wird, und dann braucht man immer mehr davon. Und etwas scheint mir da nicht mehr logisch zu sein . . .
   Ich verstehe durchaus das Argument, dass man sie an verschiedenen Orten stationieren muss, damit nicht alle auf einen Schlag vernichtet werden . . .
   aber ich denke, auch da kommt man an einen Punkt, wo es bedeutungslos wird. Ich kann es Ihnen nicht präzise sagen, aber mein Eindruck ist, das wir zu viel für die Verteidigung ausgeben. Zur Rechtfertigung von Verteidigungsausgaben werden immer wieder Worte benutzt, die Angst erzeugen, und die militärische Führung bekommt im allgemeinen, was sie will . . .

    Abgeordneter Frederick Richmond: Ist es richtig, dass wir heute in den Streitkräften doppelt so viele hochrangige Offiziere haben wie im zweiten Weltkrieg?

   Rickover: Ich glaube, das trifft zu.

   Richmond: Es ist eigentlich kaum zu fassen, nicht?

   Rickover: Na, Sie geben uns doch das Geld dafür. Sie wissen, was Sie tun, oder nicht? Es ist Ihre Schuld. Sie wissen, was Sie tun. Sie sitzen in einem Ausschuss, von dem man annehmen sollte, dass er über den nötigen Sachverstand verfügt. Das bedeutet, dass Sie Ihrer Aufgabe nicht gerecht werden. Ich rede hier mit knallharter Offenheit, wissen Sie.

   Richmond: Um auf ein anderes Thema zu kommen, Admiral Rickover . . .

   Rickover: Wie finden Sie das, Senator Proxmire? Sehen Sie? Ich habe ihn kalt erwischt . . .

   Proxmire: Admiral, die zivile Nutzung der Kernenergie ist in diesem Land beinahe zum Stillstand gekommen. Wird sie in der Zukunft jemals zu einer brauchbaren Energiequelle werden?

   Rickover: Ich denke, dass wir letzten Endes auf Kernenergie angewiesen sein werden, weil wir unsere nichterneuerbaren Ressourcen allmählich erschöpfen.

Ich meine, dass sie weit schneller zur Neige gehen werden, als wir glauben, und die Erschliessungskosten steigen jetzt schon ständig. Ich glaube, dass sich Kernkraft in der zivilen Energieversorgung als wirtschaftlicher erweist, aber das ist ein falsches Denkschema, weil wir dabei nicht die potentiellen Schäden berücksichtigen, die das Freisetzen von Strahlung bei zukünftigen Generationen anrichten kann.

   


    Ich will es mal philosophisch betrachten. Bis vor etwa zwei Milliarden Jahren war noch kein Leben auf der Erde möglich. Die Strahlung war noch so hoch, dass kein Leben existieren konnte - weder Fische noch sonst etwas. Allmählich verringerte sich dann die Strahlung auf der Erde und wahrscheinlich im ganzen Sonnensystem. Das machte erste Lebensformen möglich, und sie begannen im Meer, soviel ich aus Büchern weiss . . .

   Wenn wir nun Atomwaffen oder Atomkraft einsetzen, erzeugen wir etwas, das die Natur im Laufe der Zeit eliminiert hat. Das wäre der philosophische Aspekt, ganz gleichgültig, ob es sich um Kernkraft oder Strahlung für medizinische Zwecke oder sonst etwas handelt. Natürlich sind manche Arten von Strahlung nicht von Übel, weil sie nicht lange anhalten oder wenig Wirkung auf die Umwelt haben.

   Doch jedesmal, wenn man Strahlung produziert, setzt man etwas frei, das eine bestimmte Halbwertzeit hat. ln manchen Fällen können es Milliarden Jahre sein. Ich finde, die Menschheit ist im Begriff, sich selbst zu vernichten, deshalb müssen wir diese schreckliche Kraft unbedingt unter Kontrolle bringen und versuchen, ohne sie auszukommen.

   Ich glaube nicht, dass Kernkraft sich lohnt angesichts des Strahlenrisikos, das man damit auf sich nimmt. Nun könnten Sie mich fragen, warum ich dann atomgetriebene Schiffe habe. Das ist ein notwendiges Übel. Ich würde sie alle versenken . . .
   ich bin nicht stolz auf die Rolle, die ich dabei gespielt habe. Ich tat es, weil es notwendig war für die Sicherheit dieses Landes. Deshalb setze ich mich so sehr dafür ein, dass mit diesem ganzen Unfug von Kriegen aufgehört wird.

   Leider sind Anstrengungen zur Verhinderung von Krieg immer erfolglos gewesen.
Und die Geschichte lehrt uns, dass jede Nation bei Ausbruch eines Krieges alle verfügbaren Waffen einsetzen wird . . .

   Proxmire: Für wie gross halten sie die Wahrscheinlichkeit eines Atomkriegs?

   Rickover: Ich denke, wir werden unsere Vernichtung wahrscheinlich so oder so herbeiführen, also welchen Unterschied macht das? Eine neue Gattung wird entstehen, die vielleicht klüger ist. Wir halten uns für klug, weil wir -

   Proxmire: Mir scheint, mit diesem Wissen könnten wir Atomwaffen doch kontrollieren, begrenzen und reduzieren. Jeder kann nur verlieren.

   Rickover: Ich finde auf lange Sicht - ich rede jetzt von der Menschheit - wäre das Dringlichste, dass wir zu einer internationalen Übereinkunft kommen und zuerst Atomwaffen verbieten und dann auch Atomreaktoren.

   Proxmire: Halten Sie das für realistisch in einer Welt, in der wir es mit der Sowjetunion zu tun haben`?

   Rickover: Ich weiss es nicht. Sie fragen mich, was ich denke - als einer, der von diesen Dingen wahrscheinlich mehr weiss und mehr über sie nachgedacht hat als sonst jemand auf der Welt.

   Ich glaube, ich habe einen guten Verstand und kann diese Dinge durchdenken, und ich weiss um das Wesen des Menschen auf dieser Erde und die Rolle, die er auf ihr spielt. Ich glaube nicht an eine Hilfe von oben.

   Ich denke, wir machen uns unser eigenes Bett, und in dem müssen wir liegen. Wir können jeden Sonntag in die Kirche gehn und beten, aber der Herr wird auch noch von vielen anderen Welten beansprucht,
und in seinen Augen sind wir nicht das Wichtigste im Universum.

 

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