Nachbildung von "Fat Man".    Die Plutoniumbombe, die Nagasaki zerstörte, unterschied sich in ihrer Konstruktion von der gegen Hiroshima eingsetzten Uranbombe. Der Zündmechanismus von Fat Man wurde zum Prototyp für den der heutigen Atomsprengköpfe. Paul Wagner, links, ist Public Relations Manager des Departments of Energy in der Pantex-Anlage; Charles Poole, rechts, ist der Fabrikdirektor der hier unter Regierungskontrakt tätigen Firma Mason & Hanger-Silas Mason. Verwaltungsgebäude,
Pantex Nuclear Weapons Final Assembly Plant, Carson County, Texas, 10. August 1982.

 

Den Namen »Fat Man« bekam die Nagasaki- Bombe angeblich in Anspielung auf Winston Churchill. In den USA wird die Atomwaffenproduktion von Privatunternehmen im Auftrag des Staates besorgt. Man bezeichnet dies als »GO-CO« (government-contractor) Arrangement. Die Pantex-Anlage wird für das U.S. Departmcnt of Energy betrieben von Mason & Hanger-Silas Mason, der in Kentucky ansässigen Baufirma, die auch den Holland-Tunnel zwischen Manhaltan und New Jersey gebaut hat.

 

Paul Wagner,
Public Relations Manager des Department ol Energy bei Pantex - Amarillo, Texas, 10. August 1982

    Mr. Wagner, wie würden Sie die Tätigkeit von Pantex beschreiben?

   Endfertigung von Nuklearwaffen.

   Werden hier Teile der Waffen hergestellt, geformt oder gefrässt?

   Ausser hochexplosiven chemischen Sprengladungen stellen wir hier keine Komponenten her.

   Was sind hochexplosive chemische Sprengladungen?

   Sie sind notwendiger Bestandteil einer Nuklearwaffe. Mehr sage ich nicht.

   Es heisst, Sie produzieren hier drei Sprengköpfe pro Tag. lst das eine zutreffende Schätzung, oder ist es etwas, was Sie weder bestätigen noch dementieren können?

   Darauf antworte ich erst gar nicht.

   Gehört zur Endfertigung auch die Trägerrakete?

   Das fällt in die Zuständigkeit des Verteidigungsministeriums. Die Trägerraketen gehören dem Verteidigungsministerium. Die entwerfen sie und bauen sie und bezahlen sie und warten sie und feuern sie ab.

    Können Sie sagen, wie lange die Montage eines Sprengkopfs dauert, oder aus wievielen Teilen er besteht?

   Nein.

   Sie bauen hier auch ausgemusterte Sprengköpfe wieder auseinander. Können Sie mir etwas über die durchschnittliche Verwendungsdauer eines Atomsprengkopfs sagen?

   Ich könnte es. Aber ich tue es nicht.

   Dann lassen Sie mich dies fragen: Wenn die Zahl der Sprengköpfe im Arsenal der USA mit 25 000 angegeben wird, schliesst das auch die aussgemusterten ein? Oder sind damit nur die gemeint, die stationiert sind?

   Das beantworte ich nicht.

Hat es einmal mehr als eine Anlage für die Endfertigung von Nuklearwaffen gegeben?

   Es gab noch eine in Burlington, Iowa. Sie wurde 1975 geschlossen.

   Diese hier ist also Ihre einzige, und Sie haben keine Ausweichmöglichkeit. Beunruhigt Sie das nicht?

   Kein Kommentar. Darauf haben wir hier keinen Einfluss

   

Paul Wagner

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   Gab es je mehr als zwei Anlagen dieser Art?

   Die Atomenergie-Kommission unterhielt von 1955 bis 1965 zwei kleinere Anlagen für die Endfertigung von Nuklearwaffen. Aber von der Art wie diese hier hat es immer nur zwei gegeben.

   Wenn Sie sagen von der Art wie diese hier, was macht diese Anlage einzigartig?

   Die Fähigkeit zur Herstellung des hochexplosiven Sprengstoffs.

   Was geschieht in diesem bumerangförmigen Gebäude mit den Ringen auf dem Dach?

   Nur Montage.

   Ist das das Gebäude, das »Gravel Gertie« genannt wird?

   Richtig. Gravel Gertie ist eine kreis- runde Konstruktion mit Rollsplit auF dem Dach. Wenn wir im Montagebereich eine Explosion haben, lässt dieses Dach den Explosionsdruck entweichen und wirkt gleichzeitig als Filter für freigesetzte Spaltprodukte. Es lässt die Gase einer Explosion in die Atmosphäre ent- weichen, aber radioaktives Material wird gefiltert und zurückgehalten.

   lst es auch so, dass. der Rollsplitt bei einer Explosion herunterkommt und alles zudeckt? Ist das ein Teil des Filtervorgangs?

   Nein, eigentlich nicht.

   Geschieht es?

   Es geschieht, aber es bringt nichts. Ich hörte von dem Unfäll, als hier drei Arbeiter bei einer Explosion von chemischem Sprengstoff ums Leben kamen.

   Wurde die Arbeitsweise daraufhin geändert?

    Oh ja, sicher. Die Arbeitsweise ändert sich jedesmal, wenn wir etwas dazulernen.

   In Rocky Flats gibt es eine heftige Kontroverse wegen der Mengen von Plutonium, die in die Umwelt gelangt sind. Haben Sie solche Probleme auch hier?

Nein. Wir haben es hier nur mit Plutonium zu tun, das in ungefährliches Material eingeschlossen ist, z. B. rostfreier Stahl oder Titan. Es kommt also niemand mit Plutonium in Berührung. Es ist immer eingeschlossen.

    Sie hantieren nie direkt mit Plutonium?

Nur in eingeschlossener Form. Wir achten natürlich sehr darauf, dass die Umhüllung nicht beschädigt wird. Es gibt natürlich Strahlung, die durch die meisten Materialien dringt, bis zu einem gewissen Grad. Aber offenes Hantieren mit radioaktivem Material gibt es hier nicht - es wird nicht gesägt, geschnitten, geschweisst oder gefräst. Das geschieht alles in Rocky Flats.

Wie viel Radioaktivität geht von den Sprengköpfen aus?

   Sehr wenig, weil Menschen ständig damit hantieren müssen. Ich habe schon mal auf einem geschlafen.

    Tatsächlich? Weiss das Ihre Frau?

   Klar.

   Wie kamen Sie dazu, auf einem zu schlafen?

   Ich war müde.

   Wusste Ihr Vorgesetzter davon?

   Es spielte keine Rolle, ob er es wusste oder nicht. Ich war auf einem Schiff, das Atomwaffen mitführte, und wir hatten eine Koje direkt über den Dingern. Na und? Ich sage das nur, um Ihnen eine Vorstellung davon zu geben, wie wenig Strahlung von ihnen ausgeht.

   Wie viel geht von ihnen aus? Hat man Messungen durchgeführt um es festzustellen?

   Damals nicht.

   Wird es heute gemessen?

   Was sie heute machen, weiss ich nicht.

   Letzte Woche sah ich in Life eine Doppelseite über Bischof Leroy Matthiesen, der bekannt wurde mit seiner Aufforderung an Pantex-Arbeiter ihr Gewissen zu prüfen. Und auf der nächsten Seite war ein Foto von Eloy Rumos, der aus, Gewissensgründen seine Stelle bei Pantex nach sechzehnjähriger Betriebszugehörigkeit gekündigt hat. Wie wirkt sich das auf Ihre Arbeiter hier aus?

   Überhaupt nicht. Die einzigen, auf die es sich auswirkt, sind Mr. Poole und ich.

   Wie wirkt es sich auf Mr. Poole und Sie aus?

   Dass Leute wie Sie ankommen und solche Fragen stellen. Wir sehen es nicht als Problem. Oder wie letzte Woche jemand im Fernsehen gesagt hat: Es ist das grösste Nicht-Thema des zwanzigsten Jahrhunderts.

Aber wenn es eine Million Menschen zu einer Kundgebung im Central Park zu- sammenbringt - ist das nicht ein ziemlich grnf.fces Nich t- Thema? Es ist trotzdem ein Nicht-Thema?

   Menschen gehn auch einfach so in den Central Park.

   Ich denke, am 12. Juni hatten sie einen Grund.

   Charles Poole: Also uns macht es jedenfalls keine Sorgen. Wir reden hier von uns, verstehen Sie. Es mag Reaktionen geben in New York oder Westdeutschland, das weiss ich nicht ... aber auf Amarillo hat es eigentlich keine Wirkung.

   Abschliessend möchte ich Sie gerne etwas Persönliches fragen. Gewöhnen Sie sich je daran, die Sprengköpfe vor sich zu sehen? Empfinden Sie etwas Bestimmtes, wenn Sie sehen, wie sie vom Fliessband kommen?

   Wagner: Es ist dasselbe, als wenn ich im Kaufladen eine Schachtel Knetmasse vom Regal nehme. Gott nee, ist doch überhaupt nichts dabei. Ich empfinde nichts weiter, und ich bin seit Jahren in diesem Geschäft.

    Sie denken nicht an die ungeheuere Zerstörungskraft?

   Ich habe Atomexplosionen in Nevada gesehen, und ich habe sie im Pazifik gesehen . . .

   Und was war Ihre Reaktion?

   Was soll's.

   Sie meinen, es ist nichts Besonderes?

   Ja. Sicher, es ist ein kolossaler Anblick. Aber mein Leben hat es nicht verändert. Ich sehe das ganz gelassen. Für mich ist keine besondere Gefahr damit verbunden. Aber Sie müssen natürlich berücksichtigen, was Leute sonst schon alles erlebt haben, verstehen Sie. Wenn sie ein beschütztes und ereignisloses Leben hatten, kann es vielleicht was Überwältigendes für sie sein. Aber ich habe in meinem Leben schon viel gefährlichere Dinge getan, als mit Nuklearwaffen rumzumachen.

   Nennen Sie zwei.

   Ich war zum Beispiel Tiefseetaucher. Und im 2. Weltkrieg war ich bei einem Sprengkommando. Ich musste Wasserminen entschärfen. Sie haben dieses Ding mit seinen 135 Kilo Sprengstoff direkt vor sich, und wenn Sie einen einzigen Fehler machen, sind Sie hin. Im Vergleich dazu ist die Arbeit bei Pantex überhaupt kein Problem für mich. Und so wie ich denken auch die Leute, die hier schon so lange dabei sind.

 

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