Howard Morlands Modell eines H-Bomben-Sprengkopfs.    Die Explosion eines Sprengkopfs dieser Grösse entspricht ungefähr der von zwanzig Hiroshima-Bomben. Solche Sprenköpfe tragen MX-, Trident-, Minuteman und Cruise Missiles.
Washington, D.C. 10. Juli 1983.

 

   Der moderne thermonukleare Sprengkopf wird als "physikalisches Paket" bezeichnet. Dies ist der Kern einer Wasserstoffbombe, bei deren Explosion Kernspaltung und -verschmelzung zusammenwirken. Ein Sprengkopf dieser Grösse würde etwa 123 kg wiegen. Howard Morland machte der der Öffentlichkeit erstmals die Wirkungsweise der Wasserstoffbombe sichtbar. Die Angaben über ihre Konstruktion und Zusammensetzung stellte er zusammen aus öffentlichen zugänglichenlichen Quellen sowie Gesprächen mit Vertretern von Industrie und Regierung.

   1979 verklagte ihn die amerikanische Regierung, um die Veröffentlichung seines Artikels "The H-bomb Secret (To Know How Is to Ask Why)" in der Zeitschrift The Progressive zu verhindern. Morland begüsste das Verfahren und beharrte darauf, das es in bezug auf die Konstruktion der H-Bomhe keine wissenschaftlichen Geheimnisse mehr gibt. Vor Gericht wies er nach, das seine Angaben aus öffentlichen Quellen stammen. Er gewann den Prozess und veröffentlichte seinen Artikel.

Howard Morland
Washington, D.C., 12. Januar 1984

   Howard, Sie haben, bevor die meisten über solche Waffen nachzudenken begannen, die Informationen über die Wirkungsweise einer thermonuklearen Bombe zusammengesucht und für alle sichtbar ein Modell ihres inneren Aufbaus angefertigt. Wie lange haben sie dazu gebraucht, und was haben sie dabei herausgefunden?

   Nun, es dauerte sechs Monate, bis ich das Geheimnis der H-Bombe heraus hatte. Als ich mit meinen Recherchen anfing, schaute ich als erstes in einige Nachschlagewerke. Eines davon war die Encyclopedia Americana, die in öffentlichen Bibliotheken überall im Land auf dem Regal steht. Sie enthielt eine sehr merk­würdige Zeichnung von einem thermo­nuklearen Sprengkopf mit einer Atom­bombe am einen Ende und einem Klumpen von irgendwas — Lithium-6 Deuterid — am anderen. Die anderen Nachschlagewerke hatten zwar auch Zeichnungen von H-Bomben, aber dies war die einzige, bei der die Stufen getrennt waren. Und wie sich herausstellte, war mit dieser "Trennung der Stufen" das Konstruktionsprinzip richtig wiedergegeben. In dieser einen Abbildung in einer einzigen Enzyklopädie fand ich also den Kern des H-Bomben­Geheimnisses.

   Und was ist dieses Geheimnis?

   Als die Regierung versuchte, die Veröffentlichung meines Artikels im Progressive zu verhindern - was ihr auch sechs Monate gelang -, da argumenierte sie, ich hätte in meinem Manuskript drei Elemente des H-Bomben­Geheimnisses preisgegeben.


   Das erste Element war die Trennung der Stufen: Dass also innerhalb des Gehäuses die Atombombe getrennt von der Wasser­stoffbombe untergebracht ist.
   Das zweite Element war die Komprimierung des Wasserstoffs, womit im Grunde gemeint ist: Wenn man ein Material komprimiert, ereignen sich die Reaktionen in ihm viel schneller.
   Das dritte Element, und das war das eigentliche Geheimnis, war die sogenannte "Strahlenkopplung" — dass die von der explodierenden Atombombe erzeugte elektromagnetische Strahlung benutzt wird zur Zündung der benachbarten Wasserstoffkomponente.
Diese drei Konstruktionsprinzipien waren in der Abbildung der Encyclopedia Americana enthalten. Aber ich musste noch eine Menge Informationen ausgraben, bis ich begriff, was die Zeichnung bedeutete.

Auszüge aus Howard Morlands Artikel "Das Geheimnis der H-Bombe (Wissen urn das Wie heisst fragen nach dem Warum)", erschienen im November-Heft 1979 der Zeitschrift The Progressive:

    "Die Beschäftigung mit den Details ist zugleich eine ständige Erinnerung daran, dass diese Waffen real sind. Für die meisten Menschen besteht die grösste Schwierigkeit beim Verstehen nuklearer Waffen darin, sie als physische Gegenstände zu sehen, und nicht nur als abstrakten Ausdruck von Gut oder Böse.
   Es strapaziert die menschliche Vorstellungskraft, dass ein Apparat von der Grösse eines Surfbretts sämtliche Gebäude im Umkreis von mehreren Kilometern dem Erdboden gleichmachen kann. Doch diese Apparate werden hergestellt von gewöhnlichen Menschen, die in gewöhnlichen Ortschaften leben. Die Waffen für möglich zu halten, ist schwerer, als sie zu verstehen.


    Das Geheimnis um die Konstruktion einer H-Bombe schütztem noch fundamentaleres "Geheimnis": Die Mechanismen, durch die man in der mächtigsten Nation der Erde sämtliche Ressourcen gebündelt hat, um eine weltweite Katastrophe auslösen zu können. Das Wissen um das Wie könnte der Schlüssel sein zur Frage nach dem Warum.

Die Risken einer Weiterverbreitung von Atomwaffen sind abzuwägen gegen den Nutzen, den die Öffentlichkeit hat, wenn sie mehr darüber weiss, wie und warum die Waffen hergestellt werden.
   Ob es um die Details eines Multi-Millionen-Dollar-Programms zur Erweiterung der Plutoniumproduktion geht, oder um die Prinzipien und Prozeduren, nach denen in unserer Mitte die explosivste Kraft der Natur "einsatzfertig" gemacht wird - wir haben von dem Wissen darum weniger zu befürchten als vor dem Nichtwissen".

 

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